„Tantchen, was würdest du tun, wenn ich dir sagen würde, dass ich dich umbringen wollte?“

„Du isst jetzt mal lieber deinen Brokkoli, junger Mann. Und sprich nicht mit vollem Mund!“

Clive wartete immer noch angespannt darauf, dass der wunderschöne schwarze Kiesel, den er am Tag zuvor hinuntergeschluckt hatte, endlich wieder rauskommen würde. Er machte sich Sorgen, dass er ihn umbringen könnte, aber noch mehr Angst hatte er davor, seinen Betreuern davon zu erzählen. Der mollige Junge rieb sich den Bauch und schwang mit den Beinen, um das Ding rauszuschütteln, aber es bewegte sich keinen Millimeter. Geschlagen stand Clive vom Töpfchen auf und schlurfte traurig zurück ins Spielzimmer.

Trampolinspringen, mit den Spielzeugwagen Rennen fahren und kleine Soldaten in die Schlacht führen – all das ließ ihn seine Bedenken schnell vergessen. Der Abend verging wie im Flug und nichts Schlimmes war passiert. Er wurde bereits mit seinem siebten Traum in dieser Nacht beglückt, als plötzlich die Schreie einer Frau durch das Haus hallten und ihn aus dem Schlaf rissen.

„Alles hin!“, kreischte eine der Betreuerinnen.

„Grundgütiger: Wer ist denn so krank und baut eine Guillotine für einen Teddybären?!“, krächzte eine andere.

„Und, ach herrje, seht nur die Spielzeugsoldaten, alle im Kerzenwachs geschmolzen!“, schrie eine dritte Betreuerin.

„Allen Puppen wurden die Hände abgerissen und die ganzen Spielzeugwagen wurden kaputt geschlagen! Und dann das da …“

Der Aufruhr und das Geschrei hörten nicht auf, aber Clive, eingewickelt in seine kuschelige Decke, lächelte nur verträumt und starrte an die Decke. Für ihn gab es keinen Grund zur Aufregung und er fühlte sich glücklich wie ein Hoppelhase in seinem Bettchen.

Der Missetäter, der das Chaos im Spielzimmer angerichtet hatte, wurde nie gefunden und am frühen Morgen durchzog eine angespannte Stille das Haus. Aber Clive konnte nicht schlafen. Um sich zu beschäftigen, entschloss sich der Junge dazu, seine Betreuer zu überraschen und das Frühstück für alle zuzubereiten. Was war er doch für ein edelmütiger kleiner Mann! Er band sich eine Schürze um, rollte die Ärmel hoch und machte sich ans Werk. Einige Zeit später, als er mit dem Kochen fertig und mit dem Ergebnis höchstzufrieden war, rannte Clive nach draußen, um zu spielen. Doch nur eine Minute später …

„Barmherziger! Wer hat gepflückte Knoggs an die Wände gehängt und Tomatensoße über allem vergossen?“, fragte eine Frauenstimme entsetzt.

„Überall liegen rohe Stücke Fleisch herum! Agatha, mach diesen Saustall sauber, bevor Clive etwas mitkriegt!“

Aber der Junge war bereits tief in den Wald hineingelaufen und summte ein fröhliches Liedchen. Wohlduftende Blumen blühten überall, die Vögel trällerten melodisch und flauschige Hörnchen huschten hin und wieder zuvorkommend über den Weg.

Jedem Passanten hätte sich allerdings ein anderer Anblick geboten … Die Spur, die Clive durch den Wald zog, erinnerte eher an ein Schlachtfeld als ein ländliches Idyll. Wo immer er auch hintrat, welkten die Blumen und wurden zu Brei. Bäume zersplitterten und fielen um und Tiere verkrochen sich in alle Himmelsrichtungen. Alle, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, ereilte ein trauriges Schicksal.

„Meine Tantchen vermissen mich sicher schon!“, dachte sich der Junge plötzlich. „Ich sollte lieber schnell nach Hause und ihnen allen ein Küsschen geben! Und ich werde ihnen von meinem neuen Namen erzählen, den ich mir ausgedacht habe: nicht mehr Clive, sondern Hackebeil!“

Begeistert von diesem Einfall, rannte er aufgeregt nach Hause. Nun, wer weiß, was seinen Betreuerinnen noch zugestoßen wäre, hätte ein zufällig vorbeikommender Wächter, der den kleinen Satansbraten bemerkt hatte, nicht beherzt eingegriffen. Clive das Hackebeil stellte selbst für Meister Cornelius eine harte Nuss dar.

Viele lange Stunden voller Nachforschungen waren nötig, bis der Wissenschaftler endlich mit Sicherheit sagen konnte, dass die Grausamkeit des Jungens nicht inhärent bösartig war, sondern durch einen kleinen Kieselstein ausgelöst wurde, den er verschluckt hatte. Dieser verlieh Clive gewaltige Kraft, aber missbrauchte seine natürliche Energie und seine Lebensfreude für finstere Zwecke. Hackebeil verbrachte den Rest seiner Kindheit unter der strengen Aufsicht der Wächter, die das Unheil der Finsternis schließlich gegen diese selbst wenden konnten.